28/12/2010

Das Fest et al.: Gefangen in der ewigen Pubertät

Ich habe gestern den dänischen Film Das Fest gesehen, denn der gilt ja allerorten als Kleinklassiker. Gut ist er freilich nicht. Visuell wirkt das Ganze, als habe jemand seine neue Handykamera ausprobiert, teils auch unter dem Einfluss von Alkohol. Ja-haaa, antwortet mancher Schlaumeier mit Abitur, das ist eben ein Dogma-Film, bei dem sich der Regisseur bewusst der Möglichkeiten der modernen Filmtechnik beraubt, um ein unmittelbares, authentisches Filmerlebnis zu schaffen. Dieses Argument ist aber so sinnvoll, als wolle man die Niederlage seiner Fußballmannschaft damit relativieren, der Trainer habe halt vielen unerfahrenen Spielern eine Chance geben wollen - verloren hat man nunmal trotzdem. Dass Dogma-Filme übrigens nicht scheiße aussehen müssen, haben ja dann später andere gezeigt.

Ärgerlicher als die stilistischen Schwächen ist allerdings der Inhalt des Films. Wir betrachten die Feierlichkeiten anlässlich des 60. Geburtstags eines wohlhabenden Familienpatriarchen, der aussieht wie Christopher Hitchens. Wie man sich schon denken kann, kommt im Laufe des Films manch' hässliches Familiengeheimnis ans Tageslicht, wobei Autor und Regisseur diejenigen Themen auffährt, auf die auch ich gekommen wäre, wenn ich mich hingesetzt und gesagt hätte: "Jetzt woll'n wa mal ordentlich provokativ sein!" - Gewalt, Kindesmissbrauch, Abtreibung, Rassismuss. Die Schlechtigkeit und Verlogenheit des Bürgertums wird angeprangert, dass die Schwarte kracht.

Ich bin 1972 geboren. Seit ich Film- und Fernsehwerke betrachte, die nicht speziell für Kinder gemacht sind, werden mir Produkte entgegengeworfen, in denen das scheinbar respektable Bürgertum demaskiert wird. Ich finde, die Schlechtigkeit und Verlogenheit des Bürgertums ist austhematisiert; die Kunst darf sich jetzt anderen Themen zuwenden.

Dass die Demaskiererei aber kein Ende nimmt, legt den Schluss nahe, dass die Kunst einen überproportionalen Anteil derjenigen anzieht, der auch deutlich jenseits der Zwanzig - mitunter gar im hohen Alter - die Pubertät noch nicht überwunden haben. Ewig müssen sie sich an Autoritätsfiguren abarbeiten, wobei die Ironie, dass dies häufig unter Entgegennahme von Geldern von Vater Staat geschieht, komischerweise nie thematisiert wird. Wäre man psychoanalytisch orientierter Marxist, könnte man die Hypothese aufstellen, dass der Staat hier unerwünschte destruktive Energien in Bahnen leitet, in denen sie das Funktionieren des Systems nicht weiter stören.

Ich finde, es sollten für mindestens zwanzig Jahre keine Filme mehr subventioniert werden, in denen das Bürgertum demaskiert wird, denn ein Vierzigjähriger, der immer nur erzählt, dass Papa voll gemein war, ist nicht weniger peinlich als ein Vierzigjähriger, der Baseballkappen mit dem Schirm zur Seite trägt, obwohl er schon reichlich graue Haare hat. Wenn aber unbedingt demaskiert werden muss, dann könnte man mal die Heuchelei im Bau- und Fließbandarbeitermilieu anprangern. Oder was erzählen über Doppelmoral im Filmemeachermilieu, da bietet die jüngste Geschichte ja hinreichend Inspiration.

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