01/03/2011

Zur Feier des Tages: Amazon-Kundenrezensionen von Verfassung und Verfassungsvertrag

Seit Helene Hegemanns bahnbrechendem >Axolotl Roadkill< hat kein junger Nachwuchsautor mehr das literarische Collage-Prinzip derart radikal (gegen sich selbst und andere) angewandt. Auch die surrealistische ecriture automatique stand hier in völlig neuer, zeitgemäßer Form Pate.

Das Ergebnis ist ein monumentales Werk, wie wir es in seiner kompromißlosen Subjektivität, entwaffnenden Ehrlichkeit und dabei schier unglaublichen stilistischen Vielfalt kaum noch erwarten durften. Schlichtweg atemberaubend!

- Nicolas de Pigage

Wer hätte gedacht, dass es in der heutigen Zeit überhaupt noch möglich ist, eine solch gewaltige spontane und affektive Reaktion durch einfache, fast minimalistische Aktionskunst vibrieren zu lassen. Guttenberg verletzt auf geniale, dämonisch schmunzelnde Art den Formalismus unserer Zeit, indem er formal die Form wahrt. Sein Sprengsatz ist das Innere des Textes, der gespiegeltes Eingeweide einer selbstverliebten und weltvergessenen Wissenschaftselite ist. Mit der Pranke des Künstlers, der alles darf, zerreißt er den elitären Seidenkokon der faustischen Kerkergesellen, er zerrt die süßmuffigdampfenden Textgespinste, die in Einweckgläsern zwischen Schrumpfköpfen und Tropfwachskerzen dämmerten, ans gleißende Licht des Pressegewitters. Hier! Hier! Hier! Text! Fragmentiert, zerissen,dekonstruiert und neu geklebt- so wie ers wohl im Grundschulkunstunterricht mit buntem Glanzpapier (neben dem Kartoffeldruck) gelernt haben mag.
Guttenberg erfindet das Rad nicht neu, er lässt es nur anders klingen! Er sammelt Worte, Buchstaben, Texte und präsentiert sie der Welt auf einer von Zeit gelösten Ebene in meditativer Suggestion. Er ist der John Cage unter den Textbaukünstlern (vielleicht schon eine mögliche Bezeichnung für die Beschreibung dieser neuen Kunst?). Versunken gleitet Text in Text,schmiegt sich,fügt sich, schmilzt und schwebt. Rastet eine, wird schwer sperrig, kratzt quietscht- nicht immer schön, aber immer anders, spannend. Fragen und Antworten zugleich stellend, Sinn gebend ,nicht suchend. Und wir? Wir suchen! Suchen Bedeutung, Sinn , Perfektion, schließlich: Fehler. Wollen Bruchstellen erkennen, den Meister überführen. Und merken nicht, wie wir uns selbst dabei überführen. Er hat uns entführt, sein Werk ist ein Erpresserbrief, an uns gerichtet. An uns alle, genauer unsere westliche Kultur. Der Titel sagt es ja: Europa/Amerika; das alte Ehepaar der Wissenschaft, der Erfindungen; das Heimatdorf der Doktoren und Professoren, die der Welt Fortschritt und Wahnsinn brachten- das sind wir: seine Rezipienten.

- Thomas Ueberle

Einen einzigen Fehler, wenngleich noch so winzig und (fast) bedeutungslos [mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Flüchtigkeitsfehler] konnte ich bedauerlicherweise doch noch entdecken - "E pluribus unum" heißt korrekt übersetzt nicht "Aus vielem eines", sondern "Aus vielen Eines". Nomen est omen, würde Titus Maccius Plautus an dieser Stelle schreiben, ich hoffe jedoch, dass der Verlag bei der Neuauflage für eine Korrektur sorgen wird.

- Think Blue

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